17. Juli 2021 | Gedankenanstoß

Irgendwie Glauben?

An irgendwas und irgendwie glaubt jede und jeder. Da gibt es zunächst mal den Glauben, der in den Bereich der Meinungen gehört. »Ich glaube, dass morgen die Sonne scheint«, sagt jemand, der die Informationen oder Erfahrungen, die er gesammelt hat, deutet. Wir beschreiben mit diesen Aussagen nicht wirklich einen »Glauben«, sondern eben Meinungen, Vermutungen oder Ahnungen: »Ich glaube, du möchtest gleich etwas sagen«, oder: »Ich glaube, die Post hat noch geöffnet«. In solchen Beschreibungen könnten wir im Deutschen auch »meinen, ahnen, denken, vermuten, befürchten« und ähnliche Wörter einsetzen. Viele religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen gehören in diesen Bereich. Der Glaube an »irgendein höheres Wesen«, Ufos, Reinkarnation, »nichts als die Wissenschaft« oder überhaupt an nichts und vieles andere sind Überzeugungen oder Meinungen, die Menschen über die Weltzusammenhänge haben.

Dann benutzen wir das Wort »Glauben« auch im Sinne von »Vertrauen«. Wer einem anderen Menschen etwas glaubt, vertraut seinen oder ihren Worten. Wer sagt: »Ich glaube an dich«, setzt großes Vertrauen in die Fähigkeiten oder Verlässlichkeit eines anderen Menschen.

Der Satz »Ich glaube an Jesus« kann, je nachdem, wer ihn sagt, in ähnlich unterschiedlichen Bedeutungsspektren schillern. Der eine drückt damit aus, dass er davon überzeugt ist, dass es Jesus gibt, die andere beschreibt damit eine Vertrauensbeziehung. Die Erwartungen, die sich dann an diesen Glauben knüpfen, sind ebenfalls unterschiedlich. Die einen erwarten z.B., dass Jesus ihnen in allen Situationen hilft und rechnen damit, dass Jesus alle Probleme in ihrem Sinne löst. Andere gehen auch davon aus, dass Jesus ihnen in allen Situationen hilft, meinen das aber eher im Sinne von »Mein Gott trägt und ermutigt mich, so dass ich auch schwierige Situationen überstehen kann«.

Die Bibel selbst lädt, wenn sie vom Glauben spricht, meistens zum grundsätzlichen Vertrauen auf Gott ein. Die Wortgruppen, die die Bibel für »Glauben« gebraucht, beschrieben ursprünglich das Treueverhältnis zwischen Bündnispartnern1. Es geht also im Kern um Zuverlässigkeit und um das Vertrauen, das man in eine Partnerschaft setzt. Das Vertrauen auf der einen und die Zuverlässigkeit auf der anderen Seite werden dann durch das entsprechende Verhalten untermauert. Man handelt gemäß der Zusagen und Verabredungen. Genau diese Form von Glauben finden wir im Alten Testament. In Genesis 12 wird erzählt, dass Abraham gemäß einer Vorgabe Gottes seine Heimat verlässt und in ein anderes Land zieht. Dieser Gehorsam wird als Glauben beschrieben. Abraham hat den Zusagen Gottes vertraut und entsprechend gehandelt.

Dieser Aspekt des Vertrauens zieht sich durch die ganze Bibel. Menschen vertrauen sich Gott an. Sie verlassen sich auf ihn und rechnen damit, dass er ihre Geschicke in guter Weise führt. Jesaja spitzt das in folgender Weise zu: »Hat euer Glauben keinen Bestand, werdet auch ihr nicht bestehen« (Jesaja 7,9b). So halten sich im Alten Testament immer wieder einzelne Menschen und auch das gesamte Volk Israel an Gott fest. Sie vertrauen darauf, dass auch in notvollen Zeiten ihr Leben bei Gott in guten Händen ist. »Und ich will warten auf Jahwe, will hoffen auf ihn, der sich den Nachkommen Jakobs nicht zeigt« (Jesaja 8,17). Dieser hoffnungsvolle Glaube leitet sich aus den Zusagen Gottes und den Erfahrungen, die das Volk Israel im Laufe seiner Geschichte mit Gott gemacht hat, ab. Glauben wird somit zu einer sicheren und festen Hoffnung, weil sie Gott in der Vergangenheit und durch seine Zusagen als vertrauenswürdig erlebt haben. So ist der Glaube oft ein »Vertrauen gegen den Augenschein«.

Im Hebräerbrief finden wir eine Aussage, die von vielen als Definition des Glaubens bezeichnet wurde: »Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit dessen, was man hofft, ein Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.« Der Brief an die Hebräer, Kapitel 11, Vers 1.

Alles klar? Falls nicht, hilft es zu sehen, dass der Hebräerbriefschreiber an Menschen schreibt, die offensichtlich in der Gefahr stehen, ihren Glauben aufzugeben. Es sind Menschen, die durch eine Druckphase ihres Lebens entmutigt sind. Der Schreiber erinnert sie daran, dass der Glaube, wie ihn Menschen des Alten Testamentes erlebt und gelebt haben, genau darin besteht, damit zu rechnen, dass Gottes Zusagen eintreffen. Glaube an Gott, den Vater Jesu Christi, vertraut, dass das, was man nicht sieht und auch noch nicht in Händen hält, eintreffen wird, weil Gott es gesagt hat2. Dieser Glaube sieht nicht alles, aber er vertraut Gott in all seinen Zusagen. Das können sowohl Zusagen sein, die in der Vergangenheit liegen (z.B. Gottes Wirken in der Schöpfung), in der Gegenwart (z. B. Aussagen über Gottes Wesen) als auch in der Zukunft. Der Hebräerbriefschreiber ruft diese entmutigten Menschen eben nicht dazu auf, alle Kraft zusammen zu nehmen und irgendwie bis zum Ende durchzuhalten, sondern ihr ganzes Vertrauen auf Gott zu setzen. In Durstphasen standzuhalten bedeutet, Gott um Kraft zu bitten und das Vertrauen in Gottes Zusagen zu setzen3. So ist Glaube zuallererst die Entscheidung, sein Leben in Gottes Hand zu legen. So ähnlich, wie man sich einem Fahrer anvertraut, zu dem man ins Auto steigt und der dann das Ziel, den Weg und die Geschwindigkeit bestimmt. Bei Abraham war es damals so. Er musste zwar zu Fuß gehen, aber Gott hielt das Ziel, den Weg und das Wohl Abrahams in seinen Händen. Abraham vertraute Gott und das wurde ihm zum Segen.

So verspricht Gott nicht, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man an ihn glaubt. Wohl aber, dass er alle seine Zusagen einhält. Eine davon lautet: »Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Teufel, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder hohe Kräfte noch tiefe Gewalten – nichts in der ganzen Schöpfung kann uns von der Liebe Gottes trennen, die uns verbürgt ist in Jesus Christus, unserem Herrn« (Römer 8,38-39). – Daran glaube ich.

RN

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1 Becker O: Glaube, in: Conen L, Beyreuther E, Bietenhard H, Theologisches Begriffslexikon zum NT, Band 1, Wuppertal 1986. S. 560ff.
2 Schreiner, Thomas R: Hebrews, Bellingham 2020. S. 338.
3 Ebd. S.341.