30. April 2021 | Gedankenanstoß

Ja oder Nein

Auf der Suche nach echter Aufrichtigkeit

Franz Joseph Strauß sprach 1949 davon, dass demjenigen, der in diesem Land nochmal eine Waffe anrühre, die Hand abfallen solle. Starke Worte! Man hätte meinen können, dass er damit auf dem Weg war, die Friedensbewegung zu gründen. Sieben Jahre später war er aber Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Von einer Handprothese ist nichts bekannt.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass selbst eindeutige Aussagen ein Verfallsdatum haben. Unsere Mediengesellschaft tut ihr Übriges, dass viele sich nicht mehr sicher sind, welcher Nachricht man eigentlich glauben soll. Wir erleben eine Inflation von Meldungen und Meinungen. In unserer pluralistischen Gesellschaft ist es richtig und wichtig, dass Ansichten und Verlautbarungen miteinander konkurrieren. Wir leben auf einem „Jahrmarkt der Worte“ und viele haben ein Interesse daran, ihre Meinung besonders attraktiv anzubieten.

Der ehemalige Präsident der USA, Donald Trump, hat offenbar seinen eigenen Umgang mit der Wahrheit gefunden. Seine Meinung scheint die Tendenz zu haben: „Alle lügen, nur ich habe Recht“. So kann man natürlich auch die eigene Meinung in den Vordergrund stellen. Und erschreckend viele Menschen glauben ihm bis heute. Dieses Phänomen liegt auch darin begründet, dass Donald Trump ununterbrochen seine Meinung kundgetan hat. Er hat alle medialen Kanäle genutzt, die im zur Verfügung standen. Bei ihm traf der Satz zu: „Die Masse macht’s“. Offenbar musste er nur oft genug seine Ansicht behaupten, bis viele Menschen auf seiner Seite waren.

Auch wenn die Pädagogen unserer Tage nicht mehr das klassische „Einbläuen“, also ein fortwährendes Wiederholen, bis der Stoff sitzt, als das Nonplusultra des Unterrichtens ansehen, verfehlt die gezielte Wiederholung ihre Wirkung nicht. Wenn man oft genug das Falsche behauptet, wird es dadurch nicht richtig, aber immer mehr Leute glauben es.

Eine weitere Methode, der eigenen Meinung eine Geltung zu verschaffen, ist, sie mit beschwörenden Formulierungen zu belegen. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“, wird gelegentlich gesagt, um eine Anschuldigung zu entkräften. Der Schwur hat in vielen Kulturen eine lange Tradition. Bei uns gehört er noch immer in die Gerichtssäle, wenn es darum geht, die vermeintliche Wahrheit zu bekräftigen. In der Alltagskommunikation wird der Schwur allerdings oft da bemüht, wo die Wahrheit nicht eindeutig zu belegen ist. Im alltäglichen Sprachgebrauch greift man zum Schwur, wenn man befürchtet, dass die eigene Aufrichtigkeit angezweifelt wird.

So ähnlich haben es schon die Menschen im Alten Testament gemacht. Sie haben durch den Schwur Gott als Zeugen für die Richtigkeit ihrer Aussage oder die Lauterkeit ihres Vorhabens benannt. Ein Gelübde im Namen Gottes durfte allerdings auf keinen Fall gebrochen werden (4. Mose 30,3). Genausowenig sollte man Gott nicht für windige Falschaussagen missbrauchen (3. Mose 19,12). Deswegen kam offensichtlich der Trick auf, den Namen Gottes zu umschreiben. Man legte dann eben sein Gelübde im Namen „Jerusalems“ oder im Namen des „Himmels“ ab.

Auf diese Praxis nimmt Jesus in Matthäus 6,33-37 Bezug. Er spricht sich auf den ersten Blick gegen jegliche Form des Schwörens aus. Manche religiösen Vereinigungen lehnen aufgrund dieser Verse zum Beispiel auch den Amtseid ab. Allerdings hat auch Paulus z.B. in Römer 1,9 Gott als Zeugen benannt, also einen Eid im Namen Gottes abgelegt.

Jesus möchte vielmehr unsere Aufmerksamkeit auf einen aufrechten Lebensstil lenken. „Redet und lebt so, dass schwören gar nicht nötig ist.“ Menschen, die mit Jesus unterwegs sind, sollen die Lüge und Unaufrichtigkeit meiden. Jesus prangert die Methode an, Unehrlichkeit unter einem Schwall von Worten oder hinter einem Schwur zu verstecken. „Euer Ja soll ein echtes Ja sein. Und wenn ihr Nein sagt, ist das auch in Ordnung. Nur, es muss aufrichtig sein.“

Viele Menschen haben diesen Wunsch nach Aufrichtigkeit, nach Echtheit. Wer möchte schon angelogen oder hinters Licht geführt werden? Ich auf jeden Fall nicht. Gleichzeitig fühle ich mich ertappt. „Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein. Alles, was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen“, sagt Jesus. Jedes Wort, das über das klare Ja oder Nein hinausgeht, kann einen üblen Hintergrund haben. Und genau da spüre ich den wunden Punkt.

Schwüre gehören nicht zu meinem Repertoire. Aber wie sieht es mit meinen Zusagen aus? Was verspreche ich nicht alles und wie oft halte ich dann die Zusagen nicht ein? Und dann kommt die Stunde der Erklärungen. Tausend Worte, mit denen ich belegen möchte, warum mir dies oder das nicht möglich war. Und schon decke ich einen bunten Teppich aus Worten über mein Versagen, um es etwas schöner aussehen zu lassen.

Aufrichtig wäre, entweder von Anfang an nur das zu versprechen, was ich einhalten kann, oder eben schlicht zuzugeben: Ich habe es nicht geschafft. Jesus macht Mut zur Ehrlichkeit – und Ehrlichkeit braucht auch Mut. Was für ein Trost, dass es der gleiche Jesus ist, der uns seine Liebe und Hilfe zugesagt hat. Ein paar Anregungen, die helfen können, uns diesem aufrichtigen Lebensstil zu nähern:

  1. Es ist aufrichtig, die Verantwortung für die eigenen Aussagen zu übernehmen, anstatt sie hinter einem Schwur oder unter einem Schwall von Worten zu verstecken.
  2. Es ist aufrichtig, weniger zu versprechen, aber mehr zu halten.
  3. Es ist aufrichtig, ein klares Nein zu sagen, anstatt aus Harmoniesucht ein Ja zu heucheln.
  4. Es ist aufrichtig, weniger Worte zu machen, aber solche, hinter denen man steht.
  5. Es ist aufrichtig, weniger Worte zu machen, aber solche, die notwendig sind.
  6. Es ist aufrichtig, anzuerkennen, dass wir auf dem Weg zu mehr Aufrichtigkeit die Hilfe und Barmherzigkeit von Gott und Menschen brauchen.

RN